Inzwischen hat es die Pastinake sogar in die Gemüseabteilung der Discounter geschafft, aber Jahre war sie in Deutschland fast verpönt. Ein Gastbeitrag von Madame Tamtam.
Madame Renard: Weil zusammen kochen, genießen und fachsimpeln mehr Spaß macht als alleine, stehe ich gern mit Madame Tamtam in der Küche. Wir schnippeln, studieren und probieren. Und weil sie genauso viel Spaß an Geschichten hat wie ich, beschloss sie, die Feder zu zücken und ihre Studien für Euch niederzuschreiben. Doch lest selbst über die Hammelmöhre:
Für meine Uroma war sie schlicht und ergreifend Viehfutter. Deshalb kamen Pastinaken bei ihr nicht auf den Tisch. Insgesamt gelten sie auch heute bei vielen noch als klassisches Arme-Leute-Essen. Wie schade, denn der Geschmack der dicken weißen Wurzel ist aromatisch, süß und köstlich.
Kleine, weiße Vitaminbombe
Außerdem strotzt sie nur so vor Vitalstoffen: Im Vergleich zur Möhre beispielweise hat die Pastinake einen viermal so hohen Gehalt an Fasern, Kalium, Protein und Vitamin C. Und weil sie besonders nitratarm ist, wird sie gern als Babybrei verwendet. Genau so habe ich die Pastinake zum ersten Mal zubereitet und probiert. Und ich kann nur sagen: Sogar salzfrei mit Kartoffeln gekocht und zerstampft eine echte Leckerei. Mit mehr Gewürzen und mehr Zutaten kombiniert schmeckt sie natürlich noch besser.
Die cremefarbenen Pastinaken lassen sich äußerlich schwer von der Petersilienwurzel unterscheiden – beim Einkaufen also genau auf die Beschilderung schauen oder vorsichtshalber noch mal den Händler fragen, ob ihr wirklich das richtige Gemüse erwischt habt. Die Form von Pastinaken ist kegelförmig und läuft sehr spitz zu.
Umso dicker Pastinaken sind, desto weicher ist ihr Fruchtfleisch. Falls ihr euch doch mal vergreift und eine Petersilienwurzel erwischt – auch nicht schlimm. Der Geschmack ist ähnlich intensiv süßlich, die Petersilienwurzel wird allerdings eher wie Knollensellerie verwendet, also zum Würzen oder als Suppengrün.
Kaiserliche Vorschrift zum Pastinake-Anbau
Bereits die Römer kannten und schätzten die Pastinake. Kaiser Karl der Große (747-814) schrieb ihren Anbau in seinem Reich sogar vor. Der Saft der Pflanze wurde während der Pest-Epedemien im 14. Jahrhundert als Heilmittel verabreicht.
Dass die Pflanze mit schweren Böden gut zurechtkommt, Feuchtigkeit verträgt, nicht besonders krankheitsanfällig und sehr stärkehaltig ist, machte sie bis ins 18. Jahrhundert in ganz Europa zu einem Grundnahrungsmittel. Dann wurde sie in Deutschland immer mehr vom Speiseplan verdrängt und durch Kartoffel und Möhre ersetzt.
Fortan kamen vor allem Schafe, Kühe und sogar Schweine in den Genuss des gesunden Gemüses – in Deutschland trägt die Pastinake deshalb auch den Beinamen „Hammelmöhre“. Zum guten Image der Pastinake in der Küche trug das aber nicht gerade bei. In Großbritannien, Irland, Skandinavien und den USA wird die weiße Wurzel heute aber immer noch hoch geschätzt und häufig serviert. In Honig kandiert, wird sie sogar als Nachtisch gereicht.
„Hammelmöhre“ auch zum Bierbrauen geeignet
Geerntet wird die Pastinake ab Oktober bis zum ersten Frost, dann werden die Wurzeln eingelagert – ein wunderbares Wintergemüse also, das genau zum Wetter passt. Und bestimmt auch ein bisschen vor der grassierenden Erkältung schützt.
Die Pastinake kann man backen oder kochen, pürieren, zu Cremesuppen verarbeiten, als Salat reiben. Man kann aus ihr Chips machen oder Bier brauen, Sirup kochen oder Wein ansetzen – ein echtes Multitalent. Natürlich hat die Pastinake auch seit Jahrhunderten ihren festen Platz unter den Heilpflanzen: Sie wirkt harntreibend, appetitanregend und fördert die Verdauung.
Die guten Nachrichten zum Schluss: Die Pastinake erlebt in der deutschen Küche seit einigen Jahre eine Renaissance, vor allem in der Bio-Liga. Sie steht aber auch in vielen Restaurants inzwischen auf der Speiskarte, gern als Suppe. Und der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) hat die Pastinake 2011/2012 zum „Gemüse des Jahres“ gewählt.
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